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Israel - Palästina

Über die israelische Friedensbewegung und Eindrücke aus Bethlehem

Israeli schützen Palästinenser

Weithin unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit bleibt in dem unseligen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, dass sich eine äußerst engagierte israelische Friedensbewegung, die sich aus allen Gesellschaftsschichten rekrutiert, tagtäglich um friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern bemüht und deren Rechte zu verteidigen sucht. Sie streitet gegen die aggressive Siedlungspolitik ihrer Regierung in den palästinensischen Autonomiegebieten, sie schützen zusammen mit internationalen Friedenskämpfern (welch ein Wort!) - auch mit ihren Körpern - palästinensische Bauern bei ihrer Feldarbeit, wie der Redakteur Thomas Seiterich-Kreuzkamp von Publik-Forum (in Nummer 22 vom 22. November 2002) in einem Erlebnisbericht darstellt.

Darin stellt er fest: " Seit Oktober 2000 kam es (nach Aussagen seiner Gewährsleute, die Redaktion) zu fast 1300 Angriffen durch jüdische Siedler. Derzeit stören sie systematisch die Olivenernte, um die Palästinenser zum Abwandern zu bringen. Im September 2002 beschossen extremistische Siedler erstmals auch Deutsche, die als Internationale Beobachter Palästinenser schützen wollten. Mittlerweile sei es schwierig, die willkürliche Gewalt von Israelis aus den Siedlungen in den Griff zu bekommen, sagen Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte. Der Chef von Israels "Inlandsgeheimdienst" Shin Bet warnt vor der Aggressivität fundamentalistischer Siedler. .... Da die meisten Siedler auch Soldaten sind, herrsche Kameraderie zwischen ihnen und der Armee." Ja, es komme selbst schon zu Angriffen von Siedlern gegen Soldaten, die diesem Treiben ein Ende machen wollen.

Zeuge der Aggressivität von israelischen Siedlern mit Kampfhunden gegen palästinensische Bauern wurde Thomas Seiterich-Kreuzkam bei dem Versuch einer Gruppe von israelischen Friedensfreunden und den Mitgliedern einer Delegation der Evangelischen Kirche der Pfalz, palästinensische Bauern bei der Olivenernte zu schützen. Er berichtet:

"Angekommen unter den Olivenbäumen macht sich Entsetzen breit. Die meisten der Bäume sind hastig abgeerntet. Offenbar geschah der Raub in den Tagen, als niemand aus dem Dorf sich hierher trauen konnte. Wir beginnen trotzdem mit dem Pflücken des kläglichen Rests. Olive für Olive. ... Wir pflücken zügig. Plötzlich erhebt sich lautes Geschrei. ... Ich packe meinen Rucksack, ziehe die Träger fest an und renne los. Uns entgegen rast voller Angriffslust die "Hügeljugend" der Siedlerbewegung. Einer ist vermummt, ... hält einen Zähne fletschenden Rhodesian Ridgeback an seinem Halsband. Und dann ist neben dem braunen Kampfhund noch eine Meute von schwarzen Schäferhunden, die auf uns zurasen. Alles geht sehr schnell. Andere "Hügeljugendliche" sind wie orthodoxe Juden gekleidet. Sie tragen Schläfenlocken und schwenken die Maschinenpistole. Ein wilder, lauter Streit bricht los. Unsere Rabbis - auch sie haben selbstverständlich die Kipa auf dem Kopf - herrschen die Angreifer an, stellen sie zur Rede. Wir haken uns unter, stellen uns dicht an dicht den Angreifern entgegen. Neben mir steht ein älterer jüdischer Mann ..., er übersetzt mir. "Wir sind seit 6000 Jahren hier. Das ist unser land", schreien die Angreifer mit amerikanischem Akzent. "Ach was", entgegnet Rabbi Asherman, "ihr seid dahergelaufene Rechtsbrecher. Es ist eine Schande. dass ihr unseren Glauben so missbraucht. Keiner gibt euch das Recht, die Ernte zu rauben Palästinenser zu bedrohen." Nach einem tätlichen Angriff können die Friedensfreunde einen besonders aggressiven Jugendlichen umringen und zu seiner Gruppe zurückbringen. "Die Spannung lockert sich. Da gibt mir mein Nebenmann die Hand und sagt: ‚Hallo, ich heiße Joav Silbert und bin Professor für Erziehungswissenschaften.'"

Dies ist nur ein Beispiel der Arbeit der israelischer Friedensbewegung ...

G.S.

Eine Momentaufnahme aus Bethlehem vom 26. November 2002

"Dies ist der fünfte Tag der Ausgangssperre ("Ausgangssperre" heißt, es ist uns nicht erlaubt unsere Häuser zu verlassen und wir müssen 24 Stunden daheim bleiben), die Panzer sind in allen Straßen der Innenstadt von Bethlehem und die Soldaten weisen uns per Lautsprecher an, im Haus zu bleiben, und jeder, der das Haus verlässt, wird erschossen. Ich bin bei meiner Frau Rihab und meinen fünf Kindern, versuche die neuesten Nachrichten zu bekommen und die Fragen meiner Kinder zu beantworten. Das Brot ist aufgegessen, aber wir haben glücklicherweise noch Reis, der während der Ausgangssperre gut ist. Ich kenne viele Familien, die nicht einmal Reis haben. Wer weiß, wie sie überleben?

Ich sitze und überlege, was das Ziel meines Lebens ist, und was meine Kinder von mir denken, wenn ich ihre Fragen nicht beantworten kann, und dass wir nicht einmal mehr Reis haben werden, wenn die Ausgangssperre weiter bestehen bleibt. Was meint "Friedensarbeit" für mich, und wenn diese Arbeit kein Ergebnis bringt, warum tun wir sie ...!!?? Ich glaube an Frieden, Liebe, Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit und kämpfe dafür nach innen und außen, gegen jede Art von Gewalt. Und nun begegne ich dieser Politik der kollektiven Bestrafung, die allen Menschenrechten und Werten widerspricht. Warum muss ich für etwas bestraft werden, das ich nicht getan habe??? In allen Ländern bestrafen sie jene, die schuldig geworden sind oder das Gesetz gebrochen haben (wenn es denn ein Gesetz gibt), außer hier im besetzten Palästina; wir werden für jede Tat irgendeiner Person bestraft, selbst wenn wir nicht damit einverstanden sind oder sie unterstützen. Weil die Palästinenser bist, bist du für jegliche Aktion eines jeden Palästinensers überall verantwortlich. Wenn wir sicher sein wollen, müssen wir garantieren, dass kein Palästinenser in der Welt Widerstand leistet oder protestiert, oder Freiheit fordert. Ich diskutiere nicht, wer politisch recht hat, ich frage nur, warum ich keine Nahrung für meine Kinder kaufen kann und in meinem Haus eingesperrt bin für etwas, das ich nicht tat und nicht akzeptiere. Warum können meine Kinder nicht zur Schule gehen, warum kann ich nicht in Frieden arbeiten? Warum kann ich nicht meine israelischen Friedensfreunde treffen? Warum haben die Panzer meine Kirchen und Moscheen umzingelt? Warum kann ich nicht zum Gebet gehen?

Ich möchte eigentlich fragen: Warum bestrafte die israelische Regierung nicht seine Mutter und seinen Vater, als Egal Ameer den Ministerpräsidenten Israels, Isaak Rabin, tötete? Sie bestraften nur ihn. Liegt der Grund darin, dass Gott zwei Gesetze gegeben hat, eines für die Israeli und eines für die Palästinenser? Wo steht in den Menschenrechten die Kollektivstrafe, welche Ethik akzeptiert die kollektive Bestrafung? ...

Wir sind Menschen und unsere Kinder sind Menschen und müssen zur Schule gehen und leben so wie Eure. Ich weiß gewiss, dass eines Tages die Sonne aufgehen wird und man unsere Gesichter sehen wird: Dann werden sie entdecken, dass auch wir Menschen sind wie sie ... Ich hoffe immer noch, dass der Frieden den Menschen diese Chance geben wird.

In Frieden und Versöhnung verbunden

Noah Salameh

The Center for Conflict Resolution and Reconciliation, P.O. Box 861, Bethlehem - Palestine, e-mail: ccrr@palnet.com, salamehn@hotmail.com"

Übersetzung: Gudrun Schneeweiß

Netz-Info, Dezember 2002
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