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Dringend: Handeln tut Not!

Zum Entwurf einer Europäischen Verfassung

von Velten Wagner

In den letzten Monaten gab es von kirchlicher Seite viele Stellungnahmen zum Entwurf der neuen Europäischen Verfassung. In der Hauptsache ging es da um den Gottesbezug in der Präambel.

Heute muss der Blick auf einen anderen Aspekt der Europäischen Verfassung gerichtet werden, der Protest noch viel dringlicher macht!

Im jetzigen Verfassungsentwurf ist eine Militarisierung der EU nach US-amerikanischem Muster festgeschrieben.

•  Nach dem jetzigen Entwurf hat die Aufrüstungsverpflichtung der Mitgliedsländer Verfassungsrang . „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Artikel I-40, Abs. 3).

•  Auch die Bereitschaft zu weltweiten Militäreinsätzen wird zur verfassungsmäßigen Pflicht erhoben: „Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung“, „Frieden schaffende Maßnahmen“, „Bekämpfung des Terrorismus“ , auch „die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ (Art. III-210).

•  Die Entscheidung über den Einsatz der EU-Soldaten ist dem Parlament entzogen . „Über die Einsätze der EU-Einsatztruppe entscheidet der Ministerrat“ (Art. 40, Abs. 3).

Da Europarecht das Landesrecht bricht, ist damit der Parlamentsvorbehalt für die Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Auslandseinsatz deutscher Soldaten (BVG-Urteil v. 12.07.1994), sowie die Art. 87 a und 26, Abs. 1 des Grundgesetzes, die den Einsatz der deutschen Streitkräfte an das Grundgesetz binden und z.B. die Teilnahme an einem Angriffskrieg unter Strafe stellen, ausgehebelt.

Als Kommentar zu diesen Verfassungsbestimmungen ist das Strategie-Papier für den Militärbereich zu lesen, das GASP-Sprecher Javier Solana beim EU-Gipfel in Thessaloniki vorgelegt hat und das von allen EU-Regierungschefs einstimmig angenommen wurde.

Darin ist auch die Maxime von der Notwendigkeit von Präventivkriegen - die so genannte Bush-Doktrin - für die europäische Militärplanung übernommen:

„Daher müssen wir bereit sein, vor dem Ausbrechen einer Krise zu handeln.“

Als die drei Hauptgefahren für Europa benennt Solana: “extrem gewaltbereite Terroristen, Verfügbarkeit von Massenvernichtungswaffen und das Scheitern staatlicher Systeme“ Gegen diese Bedrohungen helfe nur gemeinsames Handeln . „Gemeinsam handelnd können die Europäische Union und die Vereinigten Staaten eine eindrucksvolle Kraft sein, die sich für das Gute in der Welt einsetzt“.

Das ist die Übernahme der aggressiven US-amerikanischen Militärpolitik für Europa!

Sollte Europa diesen Weg gehen, dann wäre dies ein harter Schlag gegen alle Bemühungen von Christen (und anderen), eine friedlichere Welt zu schaffen, in der Recht und Gerechtigkeit das Zusammenleben der Menschen regeln.

In ihrer Verantwortung für das friedliche Zusammenleben der Völker dieser Welt alle Christen gegen diesen Versuch, die europäische Politik für alle Zukunft auf militärische Stärke zu gründen, lautstark und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln protestieren.

Darum bitte ich alle hiermit ausdrücklich.

Am 21. Mai 2003 hat Verteidigungsminister Struck neue „Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR)“ für die Bundeswehr erlassen.

Auch diese Richtlinien entsprechen voll den im EU-Verfassungsentwurf festgelegten Maximen militärisch abgestützter Politik:

Sehr problematisch sind darin die zahlreichen Passagen in denen eine geradezu pauschale „multinationale Einbindung“ der Bundeswehr (V.1), eine undifferenzierte Verteidigung „lebenswichtiger Interessen“ mit „vollem Aufgabenspektrum “ (V.1. 47), die Forcierung einer „schnellen Eingreiftruppe“ und „Maßnahmen zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten“ (V.1. 49) als Aufgabe der Bundeswehr deklariert werden.

Damit wird die NATO-Strategie von 1999 für die Bundeswehr übernommen.

Forcierung einer schnellen Eingreiftruppe, Maßnahmen zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, das bedeutet: Aufrüstung und Aufbau eines militärischen Drohpotenzials. Verteidigung lebenswichtiger Interessen heißt im Klartext Krieg um Öl, Koltan, oder alles andere, das für die deutsche Wirtschaft wichtig ist, modernes Raubrittertum also.

Und diese Richtlinien werden einfach erlassen, ohne öffentliche Diskussion, ohne parlamentarische Abstimmung und: ohne den lauten Protest der Bischöfe und Synoden!

Dass die neue EU-Verfassung auch die sozialen Rechte der EU-Bürger reduziert , dass „die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union“ den Vorrang hat vor den sozialen Bürgerrechten,
dass die „Leistungen der Daseinsfürsorge mit den Vorschriften des Binnenmarktes vereinbar sein“ müssen,
dass die europäische Verfassung im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz keine soziale Verpflichtung des Eigentums kennt, im Gegenteil,
dass die Rechte des wirtschaftsliberalen Binnenmarktes oberste Priorität erhalten und die „unternehmerische Freiheit“ Verfassungsrang erhält,
ist ein weiterer „Schönheitsfehler“ des europäischen Verfassungsentwurfes und muss uns als Kirche auf die Barrikaden bringen.

Ich bitte alle, bei jeder passenden Gelegenheit die Rede auf diese Problematik des Entwurfes für die neue Europäische Verfassung zu bringen, um möglichst viele Menschen zu informieren und zu mobilisieren, für eine Korrektur dieses Entwurfes einzutreten.

Hier einige mail-Adressen:

bundeskanzler@bundeskanzler.de

InternetPost@bundesregierung.de

fraktion@gruene-fraktion.de

fraktion@cducsu.bundestag.de

frabuero@spdfrak.de

fraktion@pds-im-bundestag.de

pressestelle@fdp-bundestag.de

Der Entwurf der neuen Europäischen Verfassung ist zu finden unter

www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Europa/verfassungsentwurf ,

dort kann man auch eine Kritik dieses Papiers lesen und herunterladen.

Die Verteidigunspolitischen Richtlinien 2003 sind zu finden unter

www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Bundeswehr/vpr2003.html

Netz-Info, April 2004

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