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"Für Humanität und Einzelfallprüfung"

Von Gudrun Schneeweiß

a) 100 Parlamentarier fordern menschlicheren Umgang mit Balkan-Flüchtlingen

Endlich sind Politiker aufgewacht! Endlich haben 100 Parlamentarier aus allen Parteien des Bundestages erkannt, wie menschenfeindlich die sog. "Altfallregelung" für Asylbewerber ist, wenn davon die ganze Gruppe der Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien pauschal ausgenommen wird. Endlich hinterfragen sie die Verfassungsmäßigkeit des Ausländerrechts. Deswegen unterstützen sie einen Appell an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, den der frühere Postminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) zusammen mit Claudia Roth von den Grünen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Heide Mattischek (SPD) vor Ostern 2000 initiiert haben. Zu der Gruppe gehören von der CDU neben Heiner Geißler, Norbert Blüm und Rita Süßmuth auch Volker Rühe, von der SPD Renate Schmidt, von der FDP Klaus Kinkel und Otto Graf Lambsdorff.

Wörtlich heißt es darin:

"Krieg und Genozid im ehemaligen Jugoslawien haben mehr als 350 000 Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina nach Deutschland gebracht. Wir waren uns damals alle einig, daß der Großteil nicht auf immer, sondern auf Zeit verbleiben sollte. Die Rückkehr der Flüchtlinge ist beeindruckend. Über 300 000 sind aus Deutschland ausgereist. Die Innenministerkonferenz hat sich daran gehalten, daß "Problemgruppen" vorerst nicht zur Ausreise aufgefordert werden. Die etwa 50 000 verbliebenen Bosnier gehören weitgehend dieser Gruppierung an. Diese Personen sind jedoch ebenfalls von zwangsweiser Rückführung bedroht. Nach Ankündigungen der Innenminister sollen ausreisepflichtige Personenen bis zum Ende des Jahres "zurückgeführt" werden, wobei mit zwangsweisen Rückführungen ab Frühjahr begonnen werden soll.

Seit März dieses Jahres wird die überwiegende Mehrheit der heute "geduldeten" Flüchtlinge unterschiedslos aufgefordert, Deutschland kurzfristig zu verlassen. In der Praxis wird auf die Zugehörigkeit zu einer bedrohten Minderheit nicht immer Rücksicht genommen. Im Falle traumatisierter Flüchtlinge aus Bosnien-Herzgowina werden zum Teil sogar fachärztliche Beurteilungen durch pauschale amtsärztliche Beurteilungen der eigenen Behörden ersetzt. Unserer Meinung nach sollte folgender Personenkreis verschont werden:

1. Behinderte, Kranke, allein stehende Alte, Mütter mit Kleinkindern sowie unbegleitete Minderjährige. 2. Traumatisierte mit fachärztlicher Beurteilung. 3. Ehepaare, die verschiedenen Ethnien angehören. 4. Lagerinsassen. 5. Kriegsdienstverweigerer und Deserteure. 6. Zeugen in Kriegsverbrecherprozessen. 7. Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind.

Für Personen, die nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden können, müssen nach einer Einzelfallprüfung Möglichkeiten für einen längerfristigen Aufenthalt geschaffen werden. Insofern muß die gegenwärtige Regelung durch die Möglichkeit eines dauerhaften Bleiberechts ergänzt werden."


b) Eine bayerische "Antwort" im Mai

"Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind" sollen nach Wunsch von 100 Parlamentariern (s.o.) von zwangsweiser Abschiebung ausgenommen sein, freilich nur aus Bosnien-Herzegowina.

Anders geht man mit Kosovaren um:

Ein 17-jähriger Kosovare wird wohl mit seiner Familie aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck abgeschoben werden. Sein Vater floh vor sieben Jahren vor den Serben nach Bayern, er selbst kam vor fünf Jahren nach und konnte trotz aller bürokratischer Hemmnisse voll integriert werden. Nun hat er im letzten Herbst eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker angefangen, die ihm bei seiner Rückkehr eine Existenzgrundlage im Kosovo geben könnte. Dem Staat entstehen keinerlei Kosten, weil er mit seinem Lehrlingsgehalt seinen Unterhalt selbst bestreiten kann, und ein Onkel für ihn sorgen würde.

Aber für Kosovaren ist kein Aufenthalt über das Jahr 2000 hinaus vorgesehen, eine Ausbildung muß in diesem Zeitraum abgeschlossen sein. So haben die Innenminister der Bundesländer beschlossen. Deswegen sind auch der Fürstenfeldbrucker Ausländerbehörde die Hände gebunden. "Der Ausländerbehörde bleibt da kaum oder kein Spielraum", bedauert ihr Leiter. Es sei einfach "politischer Wille", den Aufenthalt der Kosovaren hier zu beenden.

Der Geschäftsführer des Hilfswerks der deutschen Katholiken für Ost- und Mitteleuropa, P. Eugen Hillengass, warnte dagegen nach einer Reise in den Kosovo vor der überstürzten Rückführung von Flüchtlingen aus dem Kosovo: "Es geht um Menschen in den Notgebieten, nicht um die deutsche Innenpolitik", besser sei es, die Situation vor Ort von den Menschen selbst klären zu lassen, wie es die Flüchtlingen aus Bosien tun konnten.

G.S.

Netz-Info, Juni 2000
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