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In Genua tagt der G-8-Weltwirtschaftsgipfel

"attac" umzingelt Münchner Börse

von Gudrun Schneeweiß

Schon wieder eine der unverständlichen Abkürzungen, mag mancher Zeitgenosse maulen. Recht hat er!

Aber: "attac" steht für eine Bewegung, die - glücklicherweise - immer mehr Bewegte gewinnt, für "association pour la taxation des transactions financières pur l'aide aux citoyens", zu deutsch "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger". Sie ist ursprünglich eine französische Gründung, die sich mit der Bewegung der Hungermärsche und vielen anderen Basisgruppen für Gerechtigkeit vereinigt hat, inzwischen europaweit etwa 30 000 Mitglieder zählt und offensichtlich auch offiziell ernst genommen wird. Denn während des Weltwirtschaftsforums für Osteuropa, eines weit beachteten und schwer bewachten Dialogs von Wirtschaftgrößen und Politikern in Salzburg, trafen sich am Montag, dem 2. Juli 2001, Vertreter von "attac" mit Vertretern des Forums zum Dialog.

Was will "attac"?

Bisher kann - hoffentlich nur theoretisch - jeder Aktienbesitzer, wenn er denn genug entsprechende Aktien besitzt, ganze Volkswirtschaften lahmlegen, wenn er ihnen per Verkauf der entsprechenden Aktien des Landes den Geldhahn zudreht. Denn Finanztransaktionen sind frei von jeglicher staatlichen Kontrolle, ja selbst Gewinne aus Aktiengeschäften müssen in Deutschland nicht als solche versteuert werden, wenn der Besitzer diese Aktien mindestens ein Jahr besessen hatte.

"attac" will mehr Gerechtigkeit im Weltwirtschaftssystem z. B. durch eine demokratische Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte: Dazu soll eine - minimale - Besteuerung von Finanztransaktionen helfen, die sogenannte "Tobin-Steuer". Sie würde dem weltweiten Finanzmarkt einmal zu mehr Transparenz verhelfen, ihn dadurch besser politisch beeinflußbar machen und noch dazu den Staaten der Welt Steuergeld an die Hand geben, das sie zum Ausbau von sozialer Gerechtigkeit, Bildung und Demokratie verwenden könnten, eine Investition, die sich langfristig immer auszahlt. Also eine vernünftige Sache!

Aber warum hat "attac" am 20. Juli 2001 von 16.00 bis 18.00 Uhr ausgerechnet die Münchener Börse "umzingelt"? Das ist eine Symbolhandlung. Die Münchner Börse am Lenbachplatz/ Stachus in München ist ja nur ein kleines Rädchen in dem weltweiten Schacher mit dem großen Geld, aber immerhin ein Rädchen. In Wirklichkeit richtete sich der völlig friedlich verlaufene Protest an die Mächtigen der Erde, die sich vom 20. bis 22. Juli 2001 in Genua zum "Weltwirtschaftsgipfel" der G-7-Länder treffen. Aber in Genua verhinderte Gewalt von wenigen "Krawalltouristen" und eine genauso gewaltbereite Polizei eine dringend notwendigen Dialog zwischen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen, wie dies noch 1999 beim "Weltwirtschaftsgipfel" in Köln möglich war, wo mindestens 40 000 Menschen friedlich für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung demonstrierten.

Unter diesen Umständen konnte "mensch" seinen Protest gegen die Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung eben am besten dort äußern, wo er daheim ist, also z.B. in München vor dem Börsengebäude und "drumrum", friedlich, gewaltfrei und mit starken Argumenten, die auch von Rundfunkstationen entsprechend gewürdigt wurden.

Gudrun Schneeweiß

Netz-Info, Sommer 2001
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