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Verhärtet im Guten?

Über die Probleme der Ökumene

von Dr. Othmar Noggler

Das Ökumenische Netz Bayern für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung muss sich nicht nur für die praktischen Ziele des Konziliaren Wegs einsetzen, sondern ist eben auch »ökumenisch«. So trägt es also auch schwer an Irritationen im Zusammenwirken der verschiedenen Kirchen, schwer an Sanktionen in einer Kirche gegen einzelne ihrer Mitglieder und muss sich auch dieser überaus schwierigen Diskussion stellen. Dr. Othmar Noggler, seines Zeichens Kapuzinerpater und Mitglied im Ständigen Ausschuss des ÖNB hat sich dazu einige grundlegende Gedanken gemacht. (G.S.)

Sollte an der Astrologie tatsächlich etwas Wahres sein, müsste es derzeit eine Konstellation von Himmelskörpern geben, die für eine mit gesundem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbare Verhärtung verantwortlich ist und zwar bei Menschen, die im Grunde das gleiche Anliegen verfolgen und verfechten wie die Opfer ihrer Härte.

Solche Verhärtung lässt sich auf der weltpolitischen Bühne bei der Bekämpfung des Terrorismus, religiös im Zuwachs des Fundamentalismus, und hierzulande besonders medienwirksam im Streit innerhalb der Führung der IG-Metall verfolgen.

Da Kirche »in der Welt von heute« lebt, so könnte man folgern, müsste sich auch in ihr der unheilvolle Einfluss der Gestirne in Form von Verhärtungen finden.

Tatsächlich vergeht kaum eine Woche, ohne dass, wenn auch mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit entsprechend dem geringeren Stellenwert von Kirche in unserer Gesellschaft, die eine oder andere Maßnahme eines Bischofs verständnisloses Kopfschütteln hervorruft und das bei Menschen, die sich ihrer Kirche eng verbunden wissen. Aus diesem Grund können sie nicht einfach ihre Mitgliedschaft aufkündigen, wie dies 50 000 Metaller im letzten Halbjahr taten. Das Bewusstsein »Wir sind Kirche« lässt eine solche Reaktion nicht zu. »Schwache im Glauben«, die in der Kirche kaum mehr als einen Verein sehen, finden allerdings in den angedeuteten Verhärtungen eine für sie tragbare Begründung, wenigstens die formale Mitgliedschaft aufzugeben. Ein besonderer Hinweis auf Kirchenaustritte erübrigt sich.

Nun wissen Christen allerdings seit jeher, Jesus als Orientierung und Maßstab für das eigene Leben gewählt zu haben, schließt das Leiden mit seiner Kirche, aber fast ebenso konstant auch das Leiden an dieser Kirche mit ein. Nicht wenige, heute in der Kirche als Vorbilder im Glauben anerkannte Persönlichkeiten, hatten zu ihren Lebzeiten ihre liebe Not mit der »Mutter Kirche«, haben in ihr und durch sie gelitten.

Eine Art des Leidens an der Kirche tritt dann ein, wenn der Eindruck entsteht, hohe Dienstämter in ihr werden nach den selben Grundsätzen wie in Wirtschaft und Politik begriffen, nach den gleichen Mustern wie bei den »Kindern dieser Welt« ausgeübt, allerdings verstärkt mit dem Hinweis auf die »göttliche Herkunft« des Amtes und den dadurch geschuldeten Gehorsam. Die Gefahr, sich als Gesetzgeber, Ankläger und zugleich Richter zu verstehen, ist da nicht auszuschließen, wenn es zu Auseinandersetzungen mit Gehorsam Schuldenden, Laien oder niedrigen Amtsträgern, kommt, weil der Gehorsam aufgekündigt wird: aus pastoraler Sorge, aus Unzufriedenheit mit der Handhabung des Hirtenamtes, der als mangelhaft empfundenen prophetischen Haltung oder der nicht konkret und energisch genug umgesetzten Aufgabe, auf die eine Kirche hinzuarbeiten. Im Grunde handeln beide, gerügte niedere Amtsträger und Laien ebenso wie höhere Amtsträger gleich. Beide glauben aus Verantwortung und Überzeugung, wie sie diese verstehen, sich über Menschensatzungen hinwegsetzen zu müssen. Die einen ausgestattet mit der Würde des Volkes Gottes und dem allgemeinen Priestertum und folglich Verantwortung für die Kirche, die anderen als Nachfolger der Apostel, denen das Wort Jesu gilt: »Wer euch hört, der hört mich.« Die Einschränkung, dass dies nur für das Kollegium, nicht für den einzelnen Bischof gilt, damit die Kirche in der Bezeugung des Glaubens vor Irrtum bewahrt und in der Wahrheit gehalten wird (vgl. Kardinal Wetter), scheint, entsprechend dem Temperament des einzelnen Oberhirten, in den Hintergrund zu geraten, wie an Wortwahl und Vorgehensweise abzulesen wäre.

Kein Wunder, wenn manche in solchem Verhalten nur ein abgewandeltes »L' etat c'est moi« eines Ludwig des XVI. in ein »L'Eglise c´est moi« zu erkennen vermögen.

Natürlich ist das Dienstamt der Hirten nicht einfacher geworden, seit das Volk nicht nur zu allen theologischen Auseinandersetzungen und deren Erträgnissen aus der weltweiten Ökumene Zugang hat, Laien also Klerikern theologisch in nichts nachstehen müssen, häufig ihnen sogar überlegen sind; eine Tatsache, die ihrerseits zu Spannungen zwischen Amtsträgern und »Laien«, Frauen und Männern ohne durch Weihe oder Ordination übertragenes Amt führen.

Um so wichtiger werden Form und Umgangston miteinander, ginge es doch genau darum, der »Welt« zu beweisen, dass die Gemeinde Jesu einen qualitativ anderen Umgang miteinander pflegt, statt zum Gespött derer zu werden, die schon immer zu wissen glaubten, dass sich Kirche nicht von einem x-beliebigen internationalen Konzern unterscheidet.

Dieser Eindruck muss entstehen, wenn etwa dem höchsten Laiengremium in der deutschen katholischen Kirche, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verwehrt wird, sich in »innere Angelegenheiten« eines Bistums einzumischen, wenn es sich just um ein vermutlich unbequemes, beratendes Mitglied eines Laiengremiums der Kirche handelt. Verstärkt wird der schlechte Eindruck, wenn auch noch eine »Belehrung« folgt, der zufolge sich im ZdK keinerlei theologischer Sachverstand fände und dessen Aufgabe nur die eines Erfüllungsorgans für recht zeitbedingte oberhirtliche Vorstellungen wäre.

Auch bedeutsame Oberhirten erkennen nicht immer die Zeichen der Zeit. Erinnert sei an den Streit zwischen Konrad Adenauer als Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Kardinal Faulhaber auf dem Münchener Katholikentag. Während das Laiengremium des ZdK auf Demokratie setzte, glaubte der Kardinal in der Monarchie die allein gottgefällige Staatsform erkennen zu müssen. Für neue Generationen von Bischöfen gilt im politischen Bereich Demokratie als der Würde und Verantwortung der mündigen Menschen angemessene Staatsform.

Natürlich wird und soll es in der Kirche »bestimmte Eckpunkte« geben, über deren Einhaltung ein Bischof sich verantwortlich weiß. Auch diese sind nicht alle von gleicher Qualität, können daher Veränderungen unterliegen. Erinnert sei hier an die Wiedereinführung der Muttersprache in der Liturgie. Es fehlte damals nicht an Theologen und Oberhirten, die in der Eucharistiefeier wenigstens den Einsetzungsbericht »in der Sprache der Kirche«, also in unverständlichem Latein, für unaufgebbar hielten. Was heute noch unter »theologische Klimmzüge« eingeordnet wird, mag morgen fast schon zur »ständigen Lehre der Kirche« gehören. Die Berufung auf Paragraphen, noch dazu vorgetragen von entsprechend ausgebildeten »Pressesprechern«, erinnert unweigerlich an wenig erfreuliche Vorgänge in Wirtschaft und Politik, würgt jede geistige Auseinandersetzung und jegliche Art von Dialog ab. Es ist mehr als zerbrochenes Porzellan, das es mühsam zu kitten gilt, wenn es erst nach einem öffentlichen Streit zu längst überfälligen Gesprächen kommt, nach denen einem zunächst gemaßregelten Gemeindepfarrer bescheinigt werden muss, er sei ein engagierter Seelsorger, der mit hohem persönlichen Einsatz um seine Pfarrei bemüht ist.

Auf diese Weise drohen die theologischen und vor allem die psychologischen Hoffnungen unter Christinnen und Christen verschiedener kirchlicher Traditionen in Richtung der einen, weltweiten Kirche in Entmutigung zu versinken. Echte Fortschritte drohen offensichtlich aus Angst vor Identitätsverlust zunichte gemacht zu werden, und zwar jeweils durch Menschen, die glaubhaft versichern, es gehe ihnen um nichts anderes als um das Heil und Wohl der Menschen und deshalb um die geeinte Kirche.

Dem Katholiken im Ökumenischen Netz Bayern bleibt nur die herzliche und drängende Bitte an die katholischen Brüder im Amt, die eigene Herde nicht zu entmutigen und die Geschwister im Glauben, wenn auch anderer Tradition, nicht vor den Kopf zu stoßen und mit ihnen alle diejenigen, die ein Leben lang an der Trennung der Christen leiden und diese nach Kräften überwinden helfen wollen entsprechend der Bitte Jesu an den Vater, »es mögen alle eins sein«. Mehr Vertrauen in den »sensus fidelium« und in den dem ganzen Volk Gottes versprochenen Geist Jesu, sowie die Erfahrung von 2000 Jahren Kirchengeschichte sollten mehr Hirtensorge als Aufseheramt erkennen lassen, »damit die Welt erkenne …«

Dr. Othmar Noggler

Netz-Info, Sommer 2003

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