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Start Wir über uns Archiv »Aus dem ÖNB«

»Suchet der Stadt Bestes - Agenda 21 in einer Stadt«

Jahresversammlung des ÖNB, 15. - 17. März 2002

  1. Jahresrückschau
  2. Wahlen zum Ständigen Ausschuss (StAu)
  3. Studientag: »Suchet der Stadt Bestes - Agenda 21 in einer Stadt«
  4. Gottesdienst
  5. Referat: Grundideen des Equilibrismus

1 Jahresrückschau

Das Jahr 2001 brachte keine großen Veränderungen im Mitgliederstand des ÖNB, wenn auch etliche Todesfälle von lieben Mitgliedern zu beklagen waren.

Die Finanzen waren ausgeglichen, den größten »Batzen« verschlingen die jährlich vier Ausgaben des NETZ-Infos mit Druck und Versand, das aber als Organ des ÖNB weiter bestehen bleiben soll.

Zwischen den Jahresversammlungen nehmen der Ständige Ausschuss (StAu), das Sprecherteam und als Koordinator oder »Geschäftsführer« H. H. Willberg die Aufgaben und Interessen des Netzes in Mitgliedschaft und Zusammenarbeit bei der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bayern (AcKiB), »erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung« (der Nachfolgerin der Erlassjahrkampagne 2000), Kairos Europa und den ökumenischen Netzen Deutschlands wahr. Darüber hinaus mischt sich das ÖNB in allen Fragen auch des politischen Lebens ein, soweit es möglich ist.

2 Wahlen zum Ständigen Ausschuss (StAu)

Im von der Jahresversammlung als oberstem Gremium des ÖNB festgesetzten Turnus standen die vier Plätze für Gerlind Antritter, Hans-Jürgen Konrad, Dr. Bernt Lampe und Bernd Michl zur Wiederwahl, bzw. Neuwahl an.

Neuwahlen

Da Gerlind Antritter nach ihrem Rücktritt im Jahre 2000, Dr. Bernt Lampe und Bernd Michl nicht mehr kandidierten, ergab sich ein Dilemma: Vor Jahren hatte die Jahresversammlung beschlossen nur eine einmalige Wiederwahl in den StAu möglich sein sollte, um einer Verfestigung von Strukturen entgegenzuwirken. Nach dieser Regelung hätte aber H. J.Konrad nicht mehr kandidieren können. Zudem standen nur zwei weitere Kandidaten zur Verfügung. Deswegen setzte die Jahresversammlung 2002 einmütig die entsprechende Regelung für dieses Jahr außer Kraft.

So wurden gewählt: Sonja Honold, Hans Jürgen Konrad und Dr. Wieland Zademach.

Ihnen gilt aller Dank, dass sie sich zur Verfügung stellen. Herzlich willkommen im StAu!

Abschiede

Dr. Bernt Lampe und Bernd Michl wollen sich neuen Aufgaben zuwenden. Der Ständige Ausschuss dankte ihnen in einer eigenen Sitzung für ihre so engagierte Arbeit und wünscht ihnen weiter erfolgreiche Arbeit auf neuen Betätigungsfeldern. Es bedeutet einen gewissen Trost, dass beide weiter im ÖNB bleiben und sich auch für »Sonderaufgaben«, wenn »Not am Mann« ist, bereit finden könnten.

Nach der Jahresversammlung, deren Vorbereitung weitestgehend in ihren Händen lag, zog sich - sehr überraschend - auch Pfarrerin Christa Riemer zurück. Das Ökumenische Netz Bayern bedauert dies, dankt ihr sehr für alles Engagement und wünscht ihr auf ihrem weiteren Lebensweg alles Gute und Gottes Segen.

Ein Dilemma

Auch das ÖNB sitzt in derselben Falle wie die meisten schon länger arbeitenden Basisbewegungen: Es fehlt an »jungem Blut«! Dies zeigt sich deutlich darin, dass nun gleich zwei Mitstreiter im StAu fehlen. So werden bei der nächsten Wahl in zwei Jahren gleich sechs Mitglieder des StAu gewählt werden müssen. Deswegen werden schon heute alle, die es gut mit dem ÖNB meinen, inständig gebeten, sich für diesen konziliaren Weg für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung so sehr begeistern zu lassen, dass sie dem ÖNB beitreten und - vielleicht sogar für dessen »Exekutive«, den StAu, zu kandidieren.

3 Studientag: »Suchet der Stadt Bestes - Agenda 21 in einer Stadt«

Den etwa 100 Teilnehmern des Studientags am Samstag, dem 16. März 2002, war bewusst, dass die weltpolitische Lage eine umfassende Grundlegung des speziellen Themas nötig machte. Eric Bihl, der Gründer der Initiative »Equilibrismus« tat dies in einem sehr anschaulichen Referat (s. dazu Grundideen des Equilibrismus).

Zugleich erfuhr die Arbeit an der Agenda 21 durch zwei kürzere Referate von W. Ermann von der Initiative »Zukünftiges Erlangen«, die ihr fünfjähriges Bestehen feiern konnte, und Dr. Schulmeister, dem Referenten für Agenda 21 in der Stadt Erlangen, die ihr gebührende Würdigung. Die zahlreichen Arbeitskreise am Nachmittag reichten von grundsätzlichen Anfragen an den modernen Lebensstil in »Genuss und Nachhaltigkeit« über Aspekte des interreligiösen Dialogs als Beitrag der Religionen für eine lebenswertere Welt bis zu Anfragen an die lokale und weltweite Verantwortung eines Industrieriesen wie Siemens.

4 Gottesdienst

Entsprechend der Intention des Themas der Jahresversammlung, sich auf eine Stadt einzulassen, nahm das ÖNB als sinnfälliges Zeichen am sonntäglichen Gemeindegottesdienst der ev.-reformierten Gemeinde am Hugenottenplatz in der architektonisch sehr ausgewogenen schlichten barocken Hugenottenkirche teil. Anschließend war Gelegenheit zu einem Zusammensein mit der Gemeinde im Calvin-Saal.

P. Dr. Othmar Noggler konnte beim Gottesdienst als Zeichen der Gastfreundschaft die Predigt halten, die im NETZ-Info (S. 3) dokumentiert ist.

5 Referat: Grundideen des Equilibrismus

Das sozioökologische Wirtschaftskonzept

Der Begriff »Equilibrismus« kommt vom lateinischen »aequilibrium« (Gleichgewicht) und setzt sich aus »aequus« (gleich) und »libra« (die Waage) zusammen. Als »Equilibrismus« bezeichnet man auch die scholastische Lehre von der freien Willensentscheidung, die nur bei Gleichgewicht der Motive gegeben ist. Ein »Equilibrist« schließlich ist ein Gleichgewichtskünstler.

Der Equilibrismus bietet ein Konzept, das sich übergreifend mit den wichtigsten Problembereichen des modernen Lebens beschäftigt und eine globale Umsetzung anstrebt.

Die Bereiche lassen sich in vier Eckpfeilern grob darstellen, die in gegenseitiger abhängiger Wechselbeziehung stehen:

Um zu zeigen, wie diese Bereiche von einander abhängen, liegt der Vergleich mit den Funktionen des menschlichen Körpers nahe, der selbst ein perfektes System integrierter Systeme ist:

Und so, wie alle Teile des Körpers gleich wichtig sind und nicht einer auf Kosten der andren ungebremst wachsen darf, darf weder die ökonomische Betätigung des Menschen Vorrang vor seinen anderen Bedürfnissen erhalten, noch die Inanspruchnahme der natürlichen Ressourcen durch eine Spezies ständige Zuwachsraten aufweisen. Alles, was der Natur entnommen wird, muss ihr auch wieder zurückgeführt werden, um im Kreislauf zu bleiben.

Der Equilibrismus will an fehlerhaften Systemen nicht herumbasteln, sondern sie durch Rückbesinnung auf die jeweiligen Grundfragen völlig erneuern; insofern ist er konsequent, weil er an die Wurzeln geht. Gleichzeitig werden neue Rahmenbedingungen festgelegt. Als Maßstab gilt immer, dass sie sich im Einklang mit der Natur befinden.

Wichtige Grundsätze sind:

Entscheidungen und Verantwortung folgen dem Subsidiaritätsprinzip: Sie liegen in der Hand der Ebene, die von den Entscheidungen betroffen ist. Ein Spielplatz ist Sache einer Gemeinde, die Entscheidung für eine Amtssprache betrifft die Region, die Regelung der Staatsbürgerschaft muss ein Land einheitlich treffen, ein Kernkraftwerk hat globale Auswirkung.

Der »Nachteil« des Equilibrismus-Konzepts: Da jeder Bereich für sich gesehen bereits sehr komplex ist, verlangt das Gesamtkonzept eine gehörige Portion an Aufnahmebereitschaft von Seiten der Interessierten. Doch wenn wir uns dazu befähigt und berechtigt sehen, als »Experten« in einem Spezialbereich in die Natur einzugreifen, mit Folgen für andere Bereiche, dann müssen wir uns auch für die Folgen interessieren.

Ob wir die immer noch wachsende Weltbevölkerung, das absehbare Ende der fossilen Energien, die abnehmende Artenvielfalt, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen oder die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen nehmen: In keinem Bereich ist eine Projektion der gegenwärtigen Verläufe auch nur bis ans Endes des gerade begonnen Jahrhunderts möglich, ohne katastrophale Dimensionen zu erreichen.

Wo die Evolution sich in Maßeinheiten von Jahrmillionen und - wenn es schnell ging - Jahrtausenden bewegte, sich immer sehr vorsichtig vorantastend, drücken wir aufs Gas, bringen Veränderungen im Stundentakt. »Globale Beschleunigungskrise« nennt der Astrophysiker Peter Kafka dieses Phänomen: Wir haben keine Zeit zur Erfolgskontrolle, zum Testen der Auswirkungen eines Eingriffs. Alle Neuentwicklungen müssen möglichst schnell und global eingesetzt werden, um die Investitionen wieder herein zu holen. Treten zu gravierende Folgen auf, wird einfach erneut eingegriffen.

Wie hebeln die Welt aus ihren Angeln, obwohl wir nicht in der Lage sind, sie dann im Gleichgewicht zu halten; so wird sie auf uns niederstürzen und uns begraben. Doch da es viele waren, die an verschiedenen Stellen gehebelt haben, wird sich niemand verantwortlich fühlen, niemand wird zur Rechenschaft gezogen werden - aber alle werden die Folgen tragen.

So verfährt der angebliche homo oeconomicus mit seiner Umwelt: Erst gibt er viel Geld aus, sie zu zerstören, dann investiert er Unsummen, sie zu retten - oder sie zu verlassen und auf fernen Planeten zu siedeln - nicht gerade ein Beweis für die geistige Spitzenleistung des Menschen.

Wenn der Mensch auch nach Ansicht des Equilibrismus e. V. nicht unbedingt die Krone der Schöpfung ist: Seine momentane Rolle für den Weitergang des Lebens auf dieser Erde ist so entscheidend wie die Arbeit eines Restaurators für ein beschädigtes Kunstwerk. Nimmt er die richtigen Materialien und versteht seine Arbeit als Dienst am Original, wird es gerettet. Meint er hingegen, bessere Ideen als der Schöpfer des Werkes mit selbst entwickelten Mitteln umsetzen zu müssen, wird auch der vorhandene Rest zerstört.

Wir Equilibristen meinen, dass das Werk der Evolution insgesamt gut war, und wir möchten unser Handeln darauf ausrichten, ihr möglichst wenig in ihr Handwerk zu pfuschen. Innerhalb der gemächlichen Fortentwicklung der Evolution gibt es für den Menschen immer noch genügend Handlungsspielräume für echten »Fortschritt«, in dem auch das Bestehende noch Platz hat.

Eric Bihl

(Weitere Informationen zum »Equilibrismus« unter www.equilibrismus.de)

Netz-Info, Juni 2002

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